Mike Brown jagt seinen New-York-Traum

Zu Beginn einer neuen Ära machten die New York Knicks einen drastischen Schritt, der kaum wie einer wirkte. Denn einen Coach zu feuern, der die ...

Foto des Autors

Von Niko Jens Schwann

Veröffentlicht am

Zu Beginn einer neuen Ära machten die New York Knicks einen drastischen Schritt, der kaum wie einer wirkte. Denn einen Coach zu feuern, der die Franchise zurück an die Ligaspitze brachte und sie zum ersten Mal in diesem Jahrhundert in die Conference Finals führte, kann niemals vollständig makellos sein – auch wenn es dafür Gründe gibt.

Die Begründung für Tom Thibodeaus Entlassung beruht auf einigen als schädlich angesehenen Dogmen. An erster Stelle stehen die physischen Anforderungen seiner knappen Rotationen und die Offense, die sich zu sehr auf Jalen Brunson als Alpha und Omega verlässt. Ein dritter Punkt ist das Argument, dass Thibs zwar ein Projektfundament mit klarer Philosophie legen kann, aber weder jemals einen Titel als Head Coach geholt noch die Finals erreicht hat.

Diese Überzeugungen, teils Realität und teils Klischee, sind es, gegen die Mike Brown nun auf der Bank antritt. Er übernimmt fast als Gegenentwurf zu allem, wofür Thibodeau stand – zumindest offensiv. «Wir wollen schnell spielen, das Spielfeld weiten und im Halbfeld ein bestimmtes Tempo halten», erklärte der Coach als seine offensive Absichtserklärung. Diese Prinzipien stützen sich auf zwei Bereiche: Bewegung (mit und ohne Ball) und Trefferquote von außen.

Die Veränderung ist deutlich und zeigt sich in den Statistiken.

bild 8 lakers st urmen ins halbfinale
Vergleich der durchschnittlichen Ballbesitze, Pässe und Drei-Punkte-Würfe pro Spiel von einer Saison zur nächsten.

Battling the Brunson System

Am einfachsten lässt sich das neue System über Brunson betrachten, denn bei ihm soll es für Entlastung sorgen. Weder die Knicks noch Brown wollen ihm die Rolle als primärer Spielmacher nehmen – den größten Trumpf aufzugeben wäre sinnlos. Stattdessen soll er nicht jede Possession einleiten und vor allem nicht die einzige Option in engen Schlussphasen sein. In einer Saison, die nach intensiven Defenses aussieht, ist eine Arbeitserleichterung für den Hauptorganisator fast Pflicht. Erst recht für die Knicks.

Brunson führte die Liga in den letzten beiden Jahren bei der Ballhaltezeit an, mit durchschnittlich 8,6 Minuten pro Spiel in seinen Händen. Zu Beginn liegt dieser Wert jetzt bei 7,9. Er bleibt in den Top Fünf, aber es ist ein Fortschritt. Der Point Guard hat weiterhin eine hohe Usage Rate (über 30 % der Knicks-Ballbesitze enden mit seinem Wurf, Assist oder Turnover). Der Unterschied liegt darin, wie er zum Abschlussmoment gelangt.

Mikal Bridges übernimmt wieder einige Ballvortragsaufgaben, die er in Brooklyn andeutete, damals aber nicht voll ausspielen konnte. Noch wichtiger ist, dass das Team viel stärker auf Sets setzt, die in den ersten Sekunden einen Vorsprung schaffen und so Raum für schnelle Entscheidungen und Off-Ball-Bewegung bieten. Viele Dreier sind wichtig, um die Offense zu weiten, aber sie sollen aus gutem Ballmovement entstehen – nicht aus reinem Aktionismus.

Ein erneuter Blick auf Brunson sagt viel darüber aus, was die Knicks planen. Er hat seine Catch-and-Shoot-Dreier von 1,9 auf 5 Versuche pro Spiel gesteigert und trifft dabei über 41 %. Eine Ballbesitzsituation zeigt alles, obwohl sie mit einem Fehlwurf endet:

Sieht das nicht ein bisschen nach dem Stil aus, den Mike Brown in seinen Jahren bei den Golden State Warriors aufgesogen hat? Der Ballbesitz hat alles, außer den finalen Korb. Vier Spieler können den Ball führen. Drei stehen auf der Strong Side, um das Pick-and-Roll für Brunson auf der Weak Side freizumachen. Er umgeht den Screen auf seine Lieblingsart und spaltet die Verteidigung. Mikal Bridges schneidet entlang der Baseline, was die Defense erneut durcheinanderwirbelt. Nach einem weiteren Drive, einem Hukporti-Screen und einem Weak-Side-Cut von Josh Hart steht Brunson völlig frei in der Ecke.

Bingo. Es geht nicht darum, ohne Brunson zu funktionieren, sondern ihn in den Passfluss einzubinden, um von den Vorteilen zu profitieren, die er selbst schafft.

Mike Browns Traum

Das Spiel letzte Nacht gegen die Milwaukee Bucks zeigte viele Facetten. Vor allem offenbarte es, was Mike Brown einem ohnehin schon offensiv starken Team (5. in Offensivrating letzte Saison) hinzufügen kann. Beleg dafür ist das zweite Viertel mit 45 Punkten – nur vier Zähler unter dem Franchise-Rekord.

Auch wenn heißes Shooting die Offense anheizt, will Brown, dass die Offense umgekehrt das Shooting befeuert. Genau deshalb ist das zweite Viertel von gestern mehr als nur 8 von 10 Dreiern, 15 von 19 aus dem Feld, 10 Assists, ein Tempo von 104 Ballbesitzen oder ein 173er Offensivrating. Es ist die Verkörperung eines Ideals.

Eines Ideals, das sich in der zweiten Hälfte allerdings völlig verflüchtigte. Dort sahst du auch die Probleme, die das Team diese Saison haben könnte.

Karl-Anthony Towns ist entscheidend für Browns Plan auf dem Parkett. Auch wenn groß davon geredet wird, bald KAT und Mitchell Robinson gemeinsam zu starten (sobald Robinson fit ist), besitzt Brown damit eine verheerende Waffe in Lineups, in denen Towns als einziger Big agiert. Doch mit diesem freien Offensivstil riskiert man, dass der dominikanische Center zu kurz kommt.

Allein seine Anwesenheit weitet die Defense. Seine Fähigkeit zum Drive, zum aggressiven Zug und zum Kick-out schafft Platz für andere. Doch zur Halbzeit stand er mit nur einem Wurfversuch da und übernahm eher die Rolle des Passgebers und Verbinders. Dann, um das wieder gutzumachen, startete die zweite Hälfte mit mehreren Isolations für Towns, die zuerst Giannis Antetokounmpo und dann Kyle Kuzma mühelos stoppten. Dadurch sah sich Towns gezwungen, es zu erzwingen (1 von 11 in der zweiten Halbzeit), und der Offensivfluss aus dem zweiten Viertel stockte. Das erklärt unter anderem auch die spätere Niederlage.

Wie KAT eingebunden wird, ist also von größter Bedeutung, denn das System läuft bislang nicht oft über ihn. Und wenn es das tut, steht es manchmal dem Rest im Weg. Ihn aus dem Post heraus einzusetzen, auf Pop-outs anzuspielen oder beim Alley-Oop zu finden, ist essenziell. Ohne ihn kann das Team sein Maximum nicht erreichen.

Ein weiteres persönliches Fragezeichen ist Josh Hart, der wegen Rückenbeschwerden weder richtig sprinten noch seine gewohnte Einsatzfreude wiederholen kann. Die eigentliche Herausforderung ist, was sein Bankplatz für einen Spieler bedeutet, der das Team sonst zusammenhält. Er hat mehrfach betont, dass er tut, was das Team braucht, aber Worte und körperliche Grenzen passen nicht immer zusammen.

Ein klarer Plan ist keine Erfolgsgarantie. Die Knicks wissen, dass das zweite Viertel von letzter Nacht das Vorzeigeprojekt ist. Aber in einer langen Regular Season müssen sie etwas Geduld aufbringen und auf lange Sicht in Towns investieren. Zusammen mit der stets präsenten Defensivfrage beim Duo Brunson-Towns bleibt Mike Browns Traum noch eine Baustelle, was sich im bisherigen 2:2-Start widerspiegelt. Dir bleibt die Entscheidung, ob du ihm Zeit geben oder Thibodeau stärker vermissen willst.

(Titelbild von Brad Penner-Imagn Images)

DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN