Gonzalo Vázquez, Andrés Monje und ihre Show El Reverso haben aktuell (zum Zeitpunkt dieses Textes) 269 Masterclass-Episoden. Diesen Status verdienen sie sich durch ihre tiefgehende Berichterstattung, die selbst entlegenste Quellen anzapft, und durch die sorgfältige Auswahl und Aufbereitung jedes Themas. In den Anfangstagen strahlte die Show einen zeitlosen Charakter aus, der zwar immer noch da ist, sich aber über die Jahre stärker aktuellen Entwicklungen zugewandt hat.
In jenen ersten Staffeln nahmen sie sich hin und wieder eine einzelne Figur der Liga vor, um das Leben dieses Spielers auszuleuchten. Ziel war es, Gründe zu finden, um mit Persönlichkeiten wie Kendrick Perkins, J.R. Smith, Jason Williams oder Marcus Smart mitzufühlen. Gonzalo und Andrés brillieren in jeder Art von Sendung, die sie angehen. Doch diese Porträts besitzen einen besonderen Wert als bewusste Ehrungen gegen den Mainstream.
Dieses Jahr hätten sie ohne Weiteres eine Folge dem Desaster der Phoenix Suns widmen können. Der teuerste Kader aller Zeiten hat heute Nacht bestätigt, dass er die Postseason verpassen wird. Stattdessen entschieden sie sich dafür, Kevin Durant in den Fokus zu rücken und ihm einen Rettungsring zuzuwerfen. Sie wollten seine komplexe Persönlichkeit ergründen, die so spannend ist wegen ihrer schonungslosen Gefühlsausbrüche, und das Offensichtliche anerkennen: sein unantastbares Skill-Level und seinen historischen Einfluss auf das Spiel.
Der Absturz, leitmotif in Durants Karriere
Das Big-Three-Projekt der Suns ist ein Riesenflop. Durant trägt daran wahrscheinlich eine gewisse Mitschuld, auch wenn er der Einzige ist, der aus diesem Trümmerhaufen der letzten beiden Saisons zu retten wäre. Sein Abschied scheint unvermeidbar, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er sein fünftes NBA-Jersey tragen (sechstes, wenn man die Supersonics mitzählt) und das dritte in gerade mal vier Jahren. All das rechtfertigt aber nicht die jüngste Welle an Revisionismus um den Forward.
KD is always part of failed superteams😭 pic.twitter.com/EwDKmeXZkQ
— Hoops (@HoopMixOnly) April 7, 2025
Nehmen wir zum Beispiel diesen Post, der eine Million Aufrufe, 34.000 Likes und 1.000 Retweets hat (ich weigere mich, sie „Reposts“ zu nennen). Er sagt ausdrücklich nur, dass Durant in drei gescheiterten Superteams gespielt hat. Aber lass uns nicht naiv sein. Er legt KD die Verantwortung für diese Misserfolge nahe und verschweigt bequem seinen überwältigenden Erfolg mit den Golden State Warriors, wo – trotz Stephen Currys enormer Wirkung – kaum Zweifel daran bestand, wer damals der bessere Spieler war. Manche hielten ihn in Phasen seiner Zeit dort sogar für den besten Spieler der Welt.
Ist OKC gescheitert?
Erstens ist es gewagt, das Thunder-Team der frühen 2010er als Scheitern zu bezeichnen. Das Erreichen der NBA Finals mit einem jungen Kern – angeführt von einem Spieler, der 23 Jahre oder jünger war – und die Niederlage in sechs Spielen gegen das klar beste Team (und den besten Spieler) der Liga sieht nach jedem vernünftigen Maßstab eher nach Erfolg aus. Der eigentliche Fehler war, jenen Kern im Sommer nicht zusammenzuhalten, als sie sich „entscheiden“ mussten zwischen Serge Ibaka und James Harden.
Allerdings ist es auch unwahrscheinlich, dass Harden oder Russell Westbrook zu den Spielern geworden wären, die sie später waren, wenn alle zusammengeblieben wären. Es war damals nur rückblickend ein Superteam, nicht unbedingt in Echtzeit. Außerdem sei erwähnt, dass man die 73-9 Golden State Warriors bis in ein siebtes Spiel zwang. Oder dass das Team nach Durants Abgang 2016 erst im letzten Jahr wieder die erste Runde der Playoffs überstand.
Überspringen wir den Bay-Area-Abschnitt – wie so viele es gern tun – und kommen zum am stärksten verfälschten Kapitel in Durants Erzählung: die Brooklyn Nets. Klar, man kann dieses Team als gescheitert bezeichnen, doch Verletzungen und die Eskapaden von Kyrie Irving machten es zu einem der größten „Was wäre wenn“-Fälle der jüngeren Vergangenheit.
Durant für das Scheitern dieses Projekts verantwortlich zu machen, wirkt regelrecht gemein. Vor allem, weil er das Team damals quasi allein durch eine Sieben-Spiele-Serie gegen die Milwaukee Bucks (den späteren Champion) schleppte – in einem Duell, das zu den größten der Ligageschichte zählen wird. Dass es nicht klappte, lag sprichwörtlich an einer falschen Schuhgröße. Damals und während der gesamten Saison war KD mit Abstand der beste Spieler der Welt.
Ab jenem Zeitpunkt musste Durant – bereits älter und von einem Achillessehnenriss zurückkommend – an beiden Enden des Feldes mehr leisten. Dank seiner historischen Effizienz 2022/23 (29,1 Punkte bei 50/40/90 zwischen den Nets und den Suns) wirkte das fast wie selbstverständlich. Aber das ist es nicht.
In den letzten beiden Spielzeiten war er unzählige Male der beste Offensiv- und Defensivspieler der Suns. Er musste die Offensive auf Elite-Niveau halten, obwohl sein Supporting Cast immer weiter zerfiel, und gleichzeitig die großen Lücken in Arizonas Perimeter- und Zonen-Verteidigung stopfen. Obendrein fällt jetzt die meiste Kritik für den finalen Zusammenbruch auf ihn, obwohl ihn eine Verletzung außer Gefecht setzte. Nur zur Erinnerung: Er ist der einzige Suns-Spieler mit positiver Bilanz in seinen Einsätzen und hat mit Abstand den besten On-Court-Differential unter den vermeintlichen Stars des Teams.
Vermächtnis vs. Realität
Damit komme ich zu der Debatte, die ich von Anfang an anstoßen wollte: der Möglichkeit, dass Durants Vermächtnis in der öffentlichen Wahrnehmung weiter von seiner tatsächlichen Bedeutung für das Spiel und die Ligageschichte entfernt sein könnte als bei jeder anderen Legende. Aufgrund seiner Titelgewinne („If you can’t beat them, join them“) und all der Narrative, die sich nach seiner Warriors-Ära aufstauten, wird die große Story wohl immer die Einzelheiten jeder angeblichen Niederlage überstrahlen.
Vergleiche fallen mir nur wenige ein. Moses Malone etwa, ein Experte einer vergessenen Kunst, skandalös unterbewertet unter den Allzeitgrößen. Julius Erving, der seine Legende außerhalb der NBA-Initialen formte. Tim Duncan, dessen stille Art ihn ins Abseits des Medienrummels rückte. Wenn er in der Gegenwart schon unfair behandelt wird, wie wird es erst in der Zukunft aussehen, in der man oft nur die groben Umrisse behält und die Details vergisst?
(Cover photo by Rick Scuteri-Imagn Images)