Niemand stoppt OKC

Oklahoma City hat erneut ein unglaublich schwieriges Spiel für sich entschieden. Sie traten ohne Jalen Williams und Chet Holmgren gegen ein Clippers-Team in Höchstform an, ...

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Von Niko Jens Schwann

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Oklahoma City hat erneut ein unglaublich schwieriges Spiel für sich entschieden. Sie traten ohne Jalen Williams und Chet Holmgren gegen ein Clippers-Team in Höchstform an, das unbedingt in der Tabelle klettern wollte. Egal. Daigneaults Truppe findet offenbar in jedem Szenario und gegen jeden Gegner einen Weg zum Sieg und liefert dabei eine Überlebenslektion, die zeigt: Das hier ist nicht einfach nur ein talentiertes Projekt, das auf seine Bewährungsprobe wartet.

Kräftezehrendes Duell

Beiden Teams stand in der Intuit Dome viel auf dem Spiel. Entsprechend entwickelte sich ein sehr physisches, hart umkämpftes Duell, das alle bis zur Schlusssirene an ihre Grenzen brachte. Und das war zu sehen. Im vierten Viertel konnten nur wenige Spieler einen klaren Kopf und präzise Würfe bewahren, weil diese Partie von Beginn an eine Wettbewerbsintensität hatte, wie man sie in einer regulären Saison nur selten erlebt.

Defensiven übernehmen das Kommando

Dieses Duell präsentierte zwei der besten Defensivreihen der Liga, die ihren Ruf in der ersten Halbzeit bestätigten. Die Clippers übernahmen früh die Führung und zeigten dabei zwei Schlüsselfaktoren: ihre Vielzahl an defensiven Spezialisten und ihre Fähigkeit, die Zone dichtzumachen.

Kris Dunn, Derrick Jones, Kawhi Leonard, Amir Coffey… Tyronn Lue hatte einen Plan, der Shai Schritt für Schritt zermürben sollte. Er wechselte ständig die Verteidiger, um verschiedene Taktiken auszuprobieren und den anderen Defensivkräften kurze Verschnaufpausen zu verschaffen. Diese Auszeit war jedoch nur von kurzer Dauer, denn wer gerade nicht Shai bewachte, musste die Zone verstopfen. Das Ziel: Ihn zum Abspiel zwingen und ihm konsequent den Weg zum Korb verwehren – was ihnen im ersten Viertel ziemlich gut gelang.

Das sorgte nicht nur für offensive Probleme bei OKC, sondern verschaffte den Clippers auch Gelegenheiten zu schnellen Punkten und einer frühen Führung. Angetrieben von Ben Simmons konnten die Kalifornier zeitweise dominieren und das Tempo diktieren. Doch diese Situation sollte sich schnell ändern.

Und sie änderte sich, interessanterweise ohne Shai. Daigneault nahm seinen Guard zu Beginn des zweiten Viertels raus, machte seinem Team aber klar: Wenn der Gegner die defensive Aggressivität hochfährt, tun wir das auch. Und wenn die Thunder ihre Verteidigungs-Hunde von der Leine lassen, können nur wenige Teams einer regelrechten Zerfleischung entgehen.

Manchmal hat man das Gefühl, OKC spielt mit sieben Leuten auf dem Parkett. Sie schicken bereits an der Mittellinie ein Double-Team, und sobald der Ball in die Zone geht, stehen plötzlich drei Verteidiger um den Center. Versucht dieser, den Ball in die Ecke zu passen, tauchen dort sofort zwei weitere Spieler auf, um zu stellen. Das wirkt fast unmöglich. Ihre Bankspieler wirbeln in der Verteidigung, holen jeden 50-50-Ball und stören jeden ungenauen Pass. So brachten sie die Clippers aus dem Konzept und zwangen sie, die Kontrolle zu verlieren.

Sie setzten die gleiche Strategie auch vorne um. Zuerst war es Aaron Wiggins, der immer wieder in die Zone zog, während Shai pausierte und so den 12-Punkte-Rückstand verkürzte. Als Gilgeous-Alexander dann zurückkehrte, begann seine Show. Wir haben es schon so oft gesehen, aber diesmal musste LA einen 17:33-Lauf hinnehmen und sich allmählich fragen, ob die Gäste überhaupt merken, dass sie ersatzgeschwächt sind.

Jeder außer Shai

Im Laufe der Zeit fanden die Clippers jedoch Mittel und Wege, die Ausfälle spürbar zu machen. Sie zogen die Deckung um Gilgeous-Alexander enger und zwangen ihn konsequent zum Abspiel. Ohne Jalen Williams oder Holmgren, die sonst für Punkte sorgen, hatte OKC plötzlich weniger Optionen.

Genauso kam es dann auch. Da der Kanadier nur begrenzt zum Zug kam und seine Mitspieler von draußen schwächelten, war es schwieriger zu punkten. Trotzdem gelang es ihnen. Selbst ohne wichtige Spieler verlieren sie weder Energie noch Biss, und dank Offensiv-Rebounds und zweiten Chancen blieben die Thunder dran. Allerdings hatte sich die Dynamik verändert.

Ähnlich lief es in der Offensive der Clippers. Mit Geduld und Disziplin verhinderten sie, dass die erbarmungslose Verteidigung der Thunder erneut die Oberhand gewann. Zuerst versorgten sie Harden mit Pick-and-Rolls, dann ließen sie Kawhi im Post agieren. Schritt für Schritt verkleinerten sie den Rückstand auf den Conference-Leader und übernahmen schließlich im vierten Viertel die Führung. Der Sieg – der vermeintliche Knockout – schien zum Greifen nah.

Aber OKC scheint mehr Leben zu haben als eine Katze. Und selbst wenn es nicht Shai ist, nicht Jalen oder Holmgren und auch keiner der Schützen – irgendwer springt immer ein.

Alex’ Moment

Caruso begann den Abend mit einem Wurf, der gerade so den Ring berührte, und zwei Airballs. Doch von da an ging es für ihn nur bergauf. Als es darauf ankam, ließ er sich von den Fehlwürfen nicht aus der Ruhe bringen. Erst bescherte ihm ein perfekt getimter Backdoor-Cut einen leichten Korbleger zum 97:96. Kurz darauf, als die LA-Defense ihn in der Ecke allein ließ, fiel sein Wurf mit etwas Hilfe vom Ring ins Netz und brachte OKC mit 99:100 in Front – ein Schlag ins Gesicht für die risikoreiche Clippers-Strategie.

Es waren noch knapp zwei Minuten zu spielen, doch dies war der letzte Feldkorb der Partie. Lues Mannschaft hatte ihre Möglichkeiten, doch Powell vergab den besten Dreier, und Carusos brillante Verteidigung nahm Kawhi seine Lieblingsspots. So mussten die Clippers schwere Würfe nehmen, die nicht fielen. Damit stand fest: Diese Thunder, selbst in Unterzahl und mit dem Top-Seed im Westen so gut wie sicher, sind kaum k.o. zu schlagen.

Herausragende Spieler

Diese Spieler trieben OKC zum Sieg.

Shai Gilgeous-Alexander

Er wurde stärker als sonst von einer nahezu komplett auf ihn ausgerichteten Defense in Schach gehalten, was man deutlich sah. Shai nahm einige unorthodoxe Würfe und konnte abgesehen von einer Phase im zweiten Viertel kaum sein gewohnt unaufhaltsames Scoring entfalten. Trotzdem führte er mit 26 Punkten alle Werfer an – trotz des permanenten Drucks.

Aaron Wiggins

Er war der unbestrittene Anführer der Thunder in den Momenten, in denen Shai auf der Bank saß. Im zweiten Viertel hielt er OKC im Spiel, und im Schlussabschnitt half er, den Clippers-Aufschwung zu bremsen. Mit seinen 19 Punkten war er entscheidend.

Alex Caruso

Er war wie immer überall in der Defense zu finden und bereit, wenn es in der Offensive darauf ankam. Als Spezialisten wie Isaiah Joe zögerten, war Caruso zur Stelle und riss die Offensive der Gäste aus dem Tief.

Spielstatistiken

So haben sich beide Teams geschlagen.

Los Angeles Clippers

Player Minutes Points FGs Assists Rebounds Blocks Steals +/-
Norman Powell 31:00 9 4/12 1 4 0 1 0
Kawhi Leonard 40:16 25 10/20 3 10 1 1 +1
Ivica Zubac 33:17 15 4/9 3 11 2 0 -1
Kris Dunn 19:13 7 3/5 1 3 0 1 +5
James Harden 35:24 17 4/14 8 5 1 0 +4
Bogdan Bogdanovic 26:06 9 2//5 1 4 3 0 -11
Derrick Jones Jr. 20:54 2 1/6 3 3 1 2 -1
Ben Simmons 14:43 8 4/5 0 7 0 0 -1
Nicolas Batum 5:28 0 0/0 0 0 0 0 +3
Amir Coffey 13:38 9 3/5 0 1 0 0 -9

Oklahoma City Thunder

Player Minutes Points FGs Assists Rebounds Blocks Steals +/-
Alex Caruso 31:27 14 5/11 5 6 0 2 +5
Luguentz Dort 28:37 10 4/6 2 4 1 1 +4
Isaia Hartenstein 33:04 14 6/12 6 10 3 2 +8
Carson Wallace 30:16 8 3/7 2 4 1 2 +2
Shai Gilgeous-Alexander 37:19 26 7/29 8 3 1 2 0
Aaron Wiggins 25:55 19 8/17 1 3 0 0 -6
Jaylin Williams 14:57 12 4/4 2 7 1 0 -6
Isaiah Joe 19:54 0 0/4 0 2 0 0 -5
Kenrich Williams 18:31 0 0/2 2 3 0 0 +8

(Cover photo: Jason Parkhurst-Imagn Images)

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