Die Golden State Warriors erinnern immer mehr an Lightning McQueen. Sie treten aufs Gas wie in einem High-Speed-Rennen, um verlorenen Boden wettzumachen, und lassen nach, sobald sie das Feld eingeholt haben. Dann geht es Kopf an Kopf und Schulter an Schulter in die Schlussphase – wie ein dramatisches Fotofinish.
Seit dem All-Star Weekend haben sie nur drei Spiele verloren, allerdings stammen zwei dieser Niederlagen aus ihren letzten vier Partien.
Gestern Nacht traten sie ohne Stephen Curry an, dessen beinahe fataler Sturz sich zum Glück nur als vorübergehende Sorge entpuppte. Head Coach Steve Kerr rechnet damit, dass Curry „irgendwann“ während ihrer sechsteiligen Auswärtstour wieder zum Team stößt.
Ohne Curry, in der Halle der Atlanta Hawks, verpassten die Fans das Duell der Superschützen. So konnte Trae Young ungestört sein Kerngeschäft erledigen: massenhaft Assists verteilen. Das Team aus Georgia legte ein schulbuchreifes erstes Viertel hin (23:40), ließ nicht locker und fuhr seinen siebten Sieg in den letzten zehn Spielen ein (124:115).
Atlantas heißer Start
Die Warriors eröffneten die Partie mit einem Dreier von Brandin Podziemski (19 Punkte und 5/8 aus dem Feld). Er rückte wegen Stephs Ausfall in die Starting Five. Aber selbst die Herrschaft von Luis Felipe de Braganza hielt länger.
Dieses 3:0 blieb ihre erste und einzige Führung des Abends. Die Hawks antworteten mit einem 2+1 von Rookie Zaccharie Risarcher zum 6:3 und gaben den Vorsprung nie wieder her. Zwischenzeitlich lagen sie mit 22 Punkten vorne, ehe die Gäste das Ergebnis erst spät etwas freundlicher gestalten konnten.
Seit 1991
Sechs Minuten nach Beginn des ersten Viertels verbuchte Dayson Daniels den ersten seiner drei Steals, als er Draymond Green den Ball im High Post regelrecht aus den Händen riss und im Fast Break vollendete.
Daniels ging neulich viral, weil er laut Statistik der beste „Dieb“ der NBA in den letzten 15 Jahren ist. Und es liegen noch genügend Spiele vor ihm, um seinen Steal-Schnitt weiter auszubauen.
I spy the DPOY pic.twitter.com/rPfkXl1VWy
— Atlanta Hawks (@ATLHawks) March 22, 2025
Niemand hat seit Alvin Robertson 1991 einen Schnitt von 3 Steals pro Saison erreicht, so wie Daniels es gerade schafft – damals tummelten sich mit Stockton, Jordan, Payton, McMillan und Ray Richardson zahlreiche Elite-Verteidiger in der Liga.
Diese Szene war der Auftakt für den ersten großen Lauf. Der Spielstand sprang von 16:19 auf 16:30.
Atlantas gesamte Starting Five startete heiß, doch die Warriors sind nicht leicht in die Knie zu zwingen. Im zweiten Viertel versuchten sie, angeführt von Jimmy Butler, die Wende. Dennoch ging Golden State mit einem Rückstand von 12 Punkten in die Kabine.
Ballbewegung, Transition und Distanzwurf
„Defense!“ sagte Onyeka Okongwu zur Halbzeit auf die Frage nach seinem Plan für die zweite Hälfte.
Doch es war nicht die Defense, sondern Atlantas kraftvoll effiziente Offense, mit der sie am Ende siegten.
Die Hawks trafen starke 57 % aus dem Feld und setzten auf einen Shootout, den die Warriors nicht stoppen konnten – besonders ohne ihren Star-Point-Guard.
Golden State kam auf 46,4 % Gesamttrefferquote und 42 % von draußen. Das reichte nicht zum Sieg. Vor allem ihre Unfähigkeit, Atlanta in Schach zu halten, gab den Ausschlag. Obwohl sie trotz Small-Ball-Ansatz bei den Punkten in der Zone ligaweit auf Rang zwei liegen, blieben sie dieses Mal hinter ihrem Ruf zurück.
Okongwu und Niang überall gefährlich
Nach OKC sind die Warriors laut Statistik das Team, das die wenigsten Punkte in der Zone (45,7) zulässt. Doch angetrieben von Onyeka Okongwu, der immer stärker zu jener Inside-Präsenz reift, die man ihm als Nummer-6-Pick im Draft 2020 zugetraut hatte, rissen die Hawks riesige Lücken in der Zone. Okongwu scheint sich zu einem deutlich vielseitigeren Pick-and-Roll-Partner für Trae Young zu entwickeln, als Clint Capela es je war.
Doch sie dominierten nicht nur unterm Korb, sondern trafen von überall. Früh im dritten Viertel kam Golden State nach zwei Dreiern von Post und Podziemski bis auf sechs Punkte heran, doch prompt machte Daniels mit einem Dreier wieder Druck. Kurz darauf legte George Niang von draußen los.
Der Mann aus Massachusetts netzte alle sechs seiner Dreier in der zweiten Halbzeit ein.
Diese 18 Punkte waren entscheidend, um Golden State auf Distanz zu halten. Kerr ließ seine Hauptrotation bis zum Ende auf dem Parkett, musste aber anerkennen, dass der Gegner an diesem Abend besser war.
Herausragende Akteure
Mehrere Spieler hinterließen Eindruck, doch vier ragten besonders heraus.
Jimmy Butler
Die Warriors stehen ohne Curry in dieser Saison bei 7:3, also taugt seine Abwesenheit nur bedingt als Ausrede. Zu kritisieren ist auch kaum ihr anderer Topstar (und damit ist nicht Draymond Green gemeint).
Jimmy Butler gab alles, was sein positiver Net Rating von +11 zeigt. Er kämpfte unter dem Korb, traf schwere Würfe, passte stark und hielt Tempo wie Intensität hoch, wo er nur konnte.
Am Ende kam er auf 25 Punkte, 8 Assists, 4 Rebounds und einen Steal.
Onyeka Okongwu
Er steht kurz vor dem nächsten Karriereschritt. In nur 26 Minuten pro Spiel zeigt er diese Saison ein breites Können: Punkten, Rebounds holen, Pässe verteilen und von fast jeder Position kreativ sein.
Gegen Golden State glänzte er mit 22 Punkten, 12 Rebounds, 6 Assists und 2 Blocks.
Trae Young
Effizient und kontrolliert – ein großes Lob für ihn. Wenn er sich nicht zu Würfen zwingt, sondern seine Pässe priorisiert, ist er am gefährlichsten. So kam er auf 25 Punkte, 10 Assists und 5 Rebounds.
Moses Moody
Bisher gelang es Kerr noch nicht, Jonathan Kumingas Rolle neu zu definieren. Kumingas athletisches Spiel beeindruckt, schadet den Warriors aber oft mehr, als es hilft. Der Coach bevorzugt derzeit Moody als stabilisierendes Element in der Starting Five.
Kuminga erzielte zwar 16 Punkte, verbuchte aber ein Net Rating von -18. Moody kam auf -2 und brachte es bei 7/13 Würfen auf 20 Punkte sowie 5 Assists.
Wichtige Statistiken
- Kontrolle der Bretter. Die Wurfquote war entscheidend, doch die Hawks gewannen auch das Rebound-Duell mit einem Plus von acht, darunter vier Offensiv-Rebounds. So hielten sie die Anzahl der Ballbesitze in Balance, obwohl sie sich mehr Turnover leisteten (16 zu 10).
- Dominanz in der Zone. Wie erwähnt standen 44 Zonenpunkte der Warriors 60 der Hawks gegenüber – ein deutlicher und ungewohnter Abstand. Youngs Pick-and-Roll, Daniels und Risarcher im Schnellangriff, LeVerts Zug zum Korb und Okongwus Power sorgten immer wieder für freie Wege unter dem GSW-Brett.
(Cover-Foto von Brett Davis-Imagn Images)