Kawamura erobert seinen Platz in der Show

Heute Morgen las ich im Forum von Smart to the Lakers, dass man Marcus entweder liebt oder hasst. Bei Yuki Kawamura gibt es dieses Dilemma ...

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Von Niko Jens Schwann

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Heute Morgen las ich im Forum von Smart to the Lakers, dass man Marcus entweder liebt oder hasst. Bei Yuki Kawamura gibt es dieses Dilemma nicht. Denn wie bei Brian Scalabrine gilt nur eins: Man muss ihn einfach lieben.

Mit nur 1,72 m zählt er zu den kleinsten Spielern der NBA – und doch ist sein Charisma nahezu unvergleichlich. Der japanische Guard ist der Typ Spieler, dem du die Daumen drückst, weil es fast unglaubwürdig erscheint, dass er es ganz nach oben schafft. Sein Freestyle-Spiel prallt auf eine harte Tatsache: seine Körpergröße. 1,72 m sind nicht 1,83 oder 1,85 wie bei Allen Iverson oder Trae Young. Der Nachteil ist real. Immerhin ist er über zehn Zentimeter kleiner als diese Stars.

Doch Kawamura, der sich dessen völlig bewusst ist und sich an Erfolgsgeschichten wie Spud Webb, Earl Boykins, Muggsy Bogues oder Nate Robinson orientiert, weigert sich aufzugeben. Und auch die NBA lässt ihn nicht fallen.

Die Memphis Grizzlies erkannten als Erste sein internationales Potenzial (er war bei den Olympischen Spielen in Paris der einzige Spieler mit durchschnittlich 20 Punkten und 7 Assists) und gaben ihm ein Exhibit 10, gingen dann noch einen Schritt weiter und belohnten seine starke Preseason mit einem Two-Way-Contract. Er wurde sofort ein Liebling der Fans, die auf deutliche Spielergebnisse hofften, bei denen in der garbage time die dritte Garde ran durfte. Genau da begann Yukis Show.

‘Happy Ending’ bei den Grizzlies

Zweiundzwanzig.

So viele Einsätze hatte er vergangene Saison für das erste Team. Er krönte seine Spielzeit im letzten Spiel der regulären Saison am 13. April, als er in 28 Minuten 12 Punkte, 5 Assists und 5 Rebounds beim Kantersieg gegen die Dallas Mavericks (132:97) sammelte.

Für den Rest der Saison blieb seine Rolle in bedeutsamen Partien von Memphis fast nur symbolisch, mit kaum Spielzeit. Dafür machte er bei den Memphis Hustle in der G League 24 Partien und zeigte mehr Teamplay als aufsehenerregende Zahlen (12,5 Punkte, 7,8 Assists, 41 % aus dem Dreierbereich).

So ist Yuki nun mal: ein Teamplayer, der selbst spielt, aber vor allem andere besser macht, mit einem Hauch Globetrotter-Flair.

Und wir betonen: „Teamplayer.“ Keine einzige Beschwerde, im Gegenteil. Die Mannschaft stand immer an erster Stelle: „Ich will meine Teamkollegen unterstützen und in den Trainingseinheiten als Gegenspieler dienen“, sagte er über seine Aufgaben in Memphis.

Am Ende trennten sich Spieler und Franchise dann doch, obwohl alles auf eine längere, erfolgreichere Verbindung hindeutete. Das Front Office entschied sich, sein Qualifying Offer nicht zu verlängern, sodass Kawamura Unrestricted Free Agent wurde. Es tat beiden Seiten ein wenig weh.

„Ich vermisse Memphis wirklich sehr“, gestand der kleine playmaker gegenüber Damichael Cole von der Commercial Appeal. „Die Menschen in Memphis sind sehr freundlich. Ich wollte auch nächstes Jahr dort spielen, aber das ist ein Business. Jetzt bin ich glücklich. Die Bulls-Organisation ist fantastisch. Eine großartige Chance für mich.“

Tatsächlich wird Chicago nach seinen Auftritten in der Las Vegas Summer League sein neuer NBA-Heimathafen. Seine starken Leistungen dort bescherten ihm zumindest das, was er in Memphis schon hatte: einen Two-Way-Contract, der ihn zwischen dem Hauptteam und den Windy City Bulls pendeln lässt.

Und apropos gemeinsamer Schmerz: Ein Grizzlies-Profi sprach offen über seine Trauer wegen Yukis Abgang. Kein Geringerer als Franchise-Star Ja Morant.

Kawamura: ein Künstler des ‘no-look pass

In Las Vegas knistert es jedes Mal, wenn Kawamura den Ball bekommt. Er erinnert an den jungen Ricky Rubio in Minnesota – da spürst du: „Gleich passiert etwas, also schau lieber hin.“

Sein starkes Highlight-pro-Minute-Verhältnis bei den Grizzlies setzt sich jetzt in Bulls-Farben fort. Die soliden Auftritte reißen das Publikum immer wieder von den Sitzen.

Wird er in Chicago Einsatzzeit bekommen?

Kawamura ist mehr als bloß ein schneller Viral-Clip oder eine Feel-Good-Story. Er besitzt genug Fähigkeiten, um trotz Größenproblemen wertvolle Minuten zu liefern – vorausgesetzt, das Team arrangiert die Defense so, dass sein ständiges Mismatch keinen größeren Schaden anrichtet.

Allerdings ist er gerade zu einem Kader gestoßen, der an Point Guards und kreativen Playmakern nicht eben Mangel hat: Josh Giddey (sobald er verlängert), Coby White, Tre Jones und Jevon Carter. Logisch, dass seine Rolle wohl ähnlich begrenzt ausfällt wie in Tennessee.

Doch der 24-jährige Ballverteiler glaubt an sich. Seine Ausstrahlung und sein Arbeitsethos treiben ihn an, um mehr zu kämpfen als nur ein paar Szenen in der garbage time.

(Titelbild: Petre Thomas–Imagn Images)

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